Freitag, 9. Januar 2015

Woher kommt der Hass?

Bisher habe ich keine Worte gefunden, um etwas über den Anschlag vom 7. Januar sagen zu können. Ich kann nur etwas über meine Versuche berichten, mehr Klarheit über die Hintergründe zu bekommen. Gestern Abend wartete ich auf die Spätausgabe der Tagesschau und habe dabei die restliche Sendung von "Panorama" mitbekommen. Da ging es offensichtlich um das Internet und seine Auswirkungen auf die gesellschaftliche Entwicklung. Einer meinte, es sei eine neue, global miteinander verbundene und kommunizierende Welt entstanden, in der alle alles teilen und das ganze Leben öffentlich geworden ist. Dass sei gut so, denn schon in früheren Jahrhunderten habe man in großen Räumen nebeneinander und miteinander geschlafen und sei öffentlich miteinander auf der Toilette gesessen. Eine Frau hielt dagegen, dass jede Privatsphäre schwindet, jeder jeden aushorchen und überwachen kann. Dann sah ich die Bilder der Fahndung im Fernsehen, sah die solidarische Gemeinschaft der Pariser und aller Franzosen, die sich ihre Freiheit nicht wegnehmen lassen wollen. So habe ich es auch eingeschätzt, dieses Volk, das sich durch eine Revolution eben diese Freiheiten erkämpft hat.

Ich habe Angst, wie sicher Millionen andere auch, gleich welcher Nationalität und welcher Religion. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber, wie wir alle wissen. Heute wollte ich mehr über die Hintergründe wissen und habe in den virtuellen Zeitungen geblättert. Da fand ich einen Artikel bei NTV, der sich mit der deutschen Terrorabwehr beschäftigt. So effektiv ist Deutschlands Terrorabwehr.
Deutschland hat bisher Glück gehabt, während es in Frankreich schon verschiedene tödliche Anschläge gab, alle in Folge des 11. September 2001, obwohl es auch bei uns schon zehn versuchte Anschläge gab. Entweder haben Zünder versagt, eine Bombe wurde rechtzeitig entdeckt oder derjenige rechtzeitig verhaftet. Auf dieses Glück könne man sich aber nicht verlassen. Die Franzosen hätten effektivere Möglichkeiten, gegen Terrorismus vorzugehen. Und für diese Möglichkeiten einer stärkeren Abwehr müsste auch mehr Geld bereit gestellt werden, müssten die Lauschangriffe noch intensiviert werden, auch wenn das die Bürgerrechte immer mehr einschränke. Die sind aber sukzessive im Lauf der Jahre sowieso mehr und mehr eingeschränkt worden, ich denke bloß an das Brimborium, das sich um die Flüge herum entwickelt hat.

Der nächste Artikel der "Zeit" beschäftigt sich mit den Hintergründen der mutmaßlichen Attentäter. Sie waren ja so zerfahren und haben ihren Ausweis im Wagen liegengelassen. Dazu schreibt die Zeit einen Artikel über die beiden Brüder, die jetzt gezielt im Nordosten von Paris gesucht werden. Woher kommt der Hass? Es werden zwei Begriffe genannt: Das Internet und eine radikalisierende Sozialisation. In Gefängnissen und im Internet hätte sich diese Radikalisierung erst voll entwickelt - und richte sich gar nicht gegen religiöse Unterschiede (zwei der Getöteten waren nämlich Muslime), sondern gegen ein verhasstes System. So viel mutmaßt man bis jetzt, dass nämlich keine Organisation dahinter zu stecken scheint. Letzte Meldung der Tagesschau um 12.00: Die Reporter wurden erstmal weggeschickt, Krankenwagen wurden bereit getsellt, die Hauptstraße geräumt. Man bereitet sich auf einen Sturmangriff auf das Quartier der beiden Brüder vor, die inzwischen ein Auto gestohlen und eine Frau als Geisel genommen haben.

Ich weiß so wenig wie jeder andere eine Lösung. Angst und Weggucken sind sicher die schlechtesten. Solidarität und Aufklärung, wie sie gerade massenhaft entstehen und praktiziert werden, die einzige Antwort. Und da ist die Öffentlichkeit, auch und gerade des Internets und anderer Medien, absolut geeignet, eine Bedrohung, die mehr ist als alles Bisherige, abzuwehren und das Wissen und die Besorgnis darüber mit anderen zu teilen.

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