Mittwoch, 20. November 2013

Glück ist mehr als ein Dauergrinsen

Alle reden dieser Tage vom Glück, die ARD hat dem eine ganze Themenreihe gewidmet. Seit der Mitte des letzten Jahrzehnts hat die Jagd nach dem Glück sprunghaft zugenommen, die Ratgeberliteratur beläuft sich inzwischen auf 25 000 Bücher. Was veranlasst Menschen, alles auf sich zu nehmen, um diesem Gefühl ein Stückchen näher zu kommen? Auf der Suche nach Beiträgen, die über Sprüche wie "Glück ist ein Schmetterling, wenn du ihn jagst, wirst du ihn nicht bekommen ..."hinausgehen, fand ich ein Interview mit Wilhelm Schmid, einem Bestsellerautor über Lebenskunst und Arnold Retzer, einem Psychotherapeuten, der dem positiven Denken den Fehdehandschuh hingeworfen hat. Glück wird überbewertet. Mal kurz zusammengefasst, was mich daraus beeindruckt hat:
Ein gutes Leben ist eines, das auch Katastrophen und Scheitern miteinbezieht.
Die Jagd nach dem Glück wird zum Terror des "Sollens".
Wünsche und Ziele werden nicht auf Tauglichkeit für das eigene Leben überprüft, im Zweifel trennt man sich nicht von falschen Lebenszielen und gescheiterten Hoffnungen.
Für  Retzer ist ein gutes Leben die Vermeidung schlechten Lebens, das heißt, vermeidbares Unglück sollte ausgeschlossen werden.
Man kann sich auch einfach wohlfühlen, indem man einen Espresso trinkt oder ein gutes Essen genießt. Daraus ein Dauerwellnessglück machen zu wollen, ist schon wieder Zwang und Terror. Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens ist wesentlich, ohne sich beim Genuss mit allen Sinnen anzustrengen, auch noch darüber nachzudenken.

Ich mache mir jetzt einen Espresso und schaue mir nachher etwas über die bayerischen Seen an, bevor die Katastrophe wieder heranwalzt, sprich die Arbeit, eine unangenehme berufliche Fahrt morgen über die schwäbische Alb, wahrscheinlich im Wintersturm, und ein knallvoller beruflicher Terminkalender nächste Woche. Gehört zum Leben, hihi. Und ich könnte diesen Beruf, der meist sinnhaft ist, auch beenden wie das Schreiben, das ebenso sinnhaft sein kann. Meine Definition vom Glück ist die: Wärme, Licht, Nahrung, Zugehörigkeit zu jemandem und zu mir selbst, aber auch Aufbruch, Abenteuer und Erschaffen von etwas, sei es ein Kind, ein Roman, ein Bild.