Donnerstag, 28. April 2011

Gedicht an die "Spitzöhrigen"- Apostrophe von Mörike

Der Mai kommt mit Riesenschritten, und noch ist nichts entschieden, nichts getan als
viel herumgelaufen, geschaut und probiert. Vielleicht ist es eine persönliche Brücken-Zeit. Ich weiß noch nicht, was ich will, ich will noch nicht, was ich weiß. Die Zeit habe ich machmal fortgescheucht wie eine Fliege, oder sie mir einfach nur schön gemacht. Alles, was mir heute eingefallen ist, war das Gedicht von Mörike "Apostrophe", das, ich glaube mich zu erinnern, in 1837 in Cleversulzbach enstanden ist. Gefunden habe ich dieses Bild einer Waldschlucht in Bebenhausen bei Tübingen, ebenso auf einer wanderung rund um den Lochenstein (Schwäbische Alb), in einer Zeit, als das Autorendasein noch eine gewisse Unschuld hatte ...

Apostrophe

 Ihr mehr als tausendjährigen,
Eichbäum, ihr rauh-moos-härigen!
Ihr, fröhlichen, spitzöhrigen
Waldteufeln angehörigen!
Ihr lang von wutbeflissenen
Nordstürmen wild zerrissenen!
Nun angeweht von weichlichen
Mailüftchen, unvergleichlichen;
Und euer Fuß, der tüchtige,
Den grimmig der bergschlüchtige,
Von Felsen überpurzelte
Waldstrom so gern entwurzelte,
Beglänzt von Bächleins Schimmer nun,
Dessen Gesprächlein nimmer ruhn:
Von Grund des Herzens preis ich euch,
Und überglücklich heiß ich euch,
Daß ihr so hoch euch beide streckt
Und in so dicken Häuten steckt,
Daß, was ich euch in künstlichen,
So äußerst sprachverdienstlichen
Reimweisen eben vorgesungen,
Euch gar nicht an das Ohr gedrungen.