Samstag, 10. Januar 2009

Triumpf des Teufelchens

Wie sieht eigentlich der Alltag einer nebenberuflichen Autorin aus? Früher habe ich dazu großspurig geschrieben: Wie es ist, Schriftstellerin zu sein. Da kommt dann da ein Anruf oder eine Mail vom Verlag, dort ein Paket mit Autorenexemplaren. Zwischendurch lebst du und du schreibst, natürlich, versuchst, das Schreiben in eben diesen Alltag sinnvoll reinzubringen.
Was ich jetzt tue? Außer Blog schreiben und -Lesen gucke ich zum Fenster raus und überlege, was man bei dem herrlichen, klirrekalten Wetter unternehmen könnte. Die Hexe aus dem Harz saust immer noch mit ihrem Besen gen Himmel, die Teufelskappe sitzt der Pestarztmaske am Spiegel auf dem Kopf. Na, Teufelchen, gibt es nichts mehr zu tun für dich? Sein kleiner Schatten krabbelt hinter dem Computer hervor, da sitzt es auf dem PC, bläst die Backen auf und lässt wie gehabt seine Beine baumeln, die vor lauter Nichtstun schon dicker geworden sind.
Das Teufelchen räuspert sich, dabei entweicht etwas Dampf seiner Nase.

"Das denkst du nur", meint es und rollt seine Augen. "Ich bin immer da und beobachte dich. Warum wuselst du in der Gegend rum, fängst dies an und das, liest, recherchierst, guckst nach deinem zweiten Buch und fragst deinen Computer, was du weiter machen sollst? Ich, dein Teufelchen, bin deine Stimme, mir kannst du vertrauen, mir alles sagen, mich alles fragen."

"Warum setze ich mich nicht hin und schreibe einfach weiter? Ich weiß doch jetzt, wo's langgehen soll."

Das Teufelchen prustet. Was soll das? Will es mich veräppeln?
"Was hat mal jemand über dich geschrieben? Du seist eine verkappte Romantikerin. Wenn die Wolken am Mond vorüberjagen, wenn du die Elexiere des Teufels in jeder wilden Schwarzwaldschlucht witterst, Dichtern und Malern nachjagst, dann bist du in deinem Element.
Aber ein dreimal gewendetes und neuaufgelegtes Exposé mit Leben zu erfüllen, das widerstrebt deinem Lustprinzip. Und ich, dein Teufelchen, gebe dir durchaus recht. Wozu denn auch? Gibt es doch alles schon. Warum die Regale mit weiterem überflüssigen Zeug verstopfen? Jeden Tag liest du Namen von Autoren, von denen du noch nie was gehört hast. "

"Aber ich wollte doch ..."

"Gar nichts wolltest du!", schnaubt das Teufelchen und läuft, wie ich es befürchtet hatte, rot an.
"Du hast einen Traum geträumt, bist mehr oder weniger sanft gelandet, aber der Traum, der ist jetzt ausgeträumt! Jetzt kommt die Phase, in der es heißt: Friss oder stirb. Auf die Hinterbacken setzen und schaffen, dass es kracht!"

"Ich muss doch nicht."

Das Teufelchen pumpt sich derart auf, dass ich denke, gleich geht es die Luft wie weiland das HB-Männchen.

"Nein, du musst nicht", brüllt es. "Aber du solltest. Was man einmal angefangen hat, darf man nicht schleifen lassen! Und vergiss bitte nicht, auch Ausrufezeichen dorthin zu machen, wo sie hingehören, vor lauter Angst, es könnten zu viele sein. Genauso ist es mit den Semikolons."

Ich schaue aus dem Fenster. Die Sonne scheint noch genauso wie vorher, der Schnee glitzert und die Ferne lockt.

"Beruhige dich", sage ich. "Es ist alles auf dem Sprung. Da liegt die Liste mit den Synonymen für "sagen". Da liegen die Recherchebücher. Alles hat seine Zeit."

Das Teufelchen hat sich wieder beruhigt, lässt seine Beinchen baumeln und holt eine Pfeife heraus. Es pafft gemütlich vor sich hin.

"Zeit zum Leben, Zeit zum Schreiben. Zeit für dein Teufelchen. Und jetzt geh und schweif, die Zeit ist reif."

"Danke, Teufelchen, du hast mir mal wieder eine vergnügliche Stunde beschert."

Das Teufelchen lacht so sehr, dass es hintenüber purzelt. Es verschwindet hinter dem Computer.
Seine Stimme kommt gedämpft an mein Ohr, es brabbelt:

"Erinnerst du dich an den letzten Sommer, als ein Häufchen neben deinem PC lag und am nächsten Tag eine Kröte unter dem Sofa hervorkroch? Als die Maus an den Spagettis nagte und der Marder in deinem Auto schlief?"

"Das warst doch nicht du ..."

"Ich bin in jeder Form zu finden, falle dir in den Nacken, wann immer du es nicht erwartest, blase deine Wolken weg und mache dich immer wieder neu."

Es ist eine unendliche, teuflische Geschichte, aber eine, die mir immer Beine gemacht hat, wohin die mich auch immer tragen sollten.