Donnerstag, 27. Juli 2017

Kann Kreativität versiegen?

Kreativität gibt es schon so lange, wie Menschen auf der Erde leben. Unsere Ahnen wohnten in Höhlen, wie zum Beispiel in der Vogelherdhöhle im Lonetal auf der schwäbischen Alb, im Hohlen Fels bei Schelklingen oder in Lascaux in Frankreich (Höhlenmalereien). Als älteste figürliche Kunstwerke sind das Mammutelfenbein aus der Vogelherdhöhle, die Venus und der Löwenmensch vom Hohlen Fels erhalten. Sie wurden jetzt dem UNESCO-Weltkulturerbe hinzugefügt. Die harten Überlebensbedingungen machten die Menschen offensichtlich erfinderisch und kreativ. Keiner hat ihnen den Befehl erteilt, so etwas anzufertigen, es kam ganz von innen heraus. Und so ist es bis heute. Es wurden zwar, zum Beispiel in der Malerei, immer wieder Auftragsarbeiten erteilt, die das Überleben u.a. der Maler sicherten, die aber durchaus auch zu Kunstwerken wurden. Was bedeutet das für heutige Menschen, die kreativ sein wollen, aber durch äußere Umstände daran gehindert werden? Was bedeutet es für mich, deren reativen Lebenslauf ich wohl am besten kenne?

Als Kind und als junge Erwachsene waren meine Hauptleidenschaften das Malen, die Natur, die Bücher und das Unterwegssein. Während meine Schwester immer maulte "Wo ist denn der Bahnhof?", hat es mir immer Spaß gemacht, mit meinem Vater durch die Wälder zu streifen, und es hat mich immer interessiert, was da wächst, blüht, kreucht und fleucht. Später kamen das Schreiben dazu, das Reisen in ferne Länder, die Psychologie, das Fotografieren und das Kochen. Das erste, was ich nach Jahren des Studiums und der Familiengründung schrieb, waren Zeitungsartikel, Friedens- und Ökopolitik, mein erstes belletristisches Werk war ein Märchen, das während einer therapeutischen Phase entstand. Noch um einiges später entwickelte ich Kurzgeschichten, aus dem Leben gegriffen und am Wegesrand sammelt. Die wurden in einer Schreibwerkstatt eingestellt und dort diskutiert. Darauf folgte ein biografischer Roman, später insgesamt zehn Romane, ein Sachbuch (Kalender) und drei Beiträge in einer Anthologie. Fünfzehn Jahre lang war ich schreiberisch kreativ unterwegs. Obwohl mir damals schon die Frage gestellt wurde, ob ich nicht lieber malen wollte. Was ist nun von diesen Jahren geblieben, ich meine was ist geblieben, das man sehen und anfassen kann? Die ursprünglichen Leidenschaften wie das Kochen sind nämlich zwischendrin auf der Strecke geblieben. Zehn Bücher, die eine halbe kleine Regalreihe füllen. In meiner Küche hängt ein Stilleben mit Aubergine, das ich in einer Malphase erstellte, in einem anderen Raum eine Küstenlandschaft.

Stilleben


Küstenlandschaft (wird noch ersetzt ohne Spiegelung)

Etwa sechzehn, siebzehn Jahre nach dem ersten Roman, begann die Kreativität zu versanden. Ich hatte keine Lust mehr, mich nach den Gegebenheiten eines Marktes und starren Genreregeln zu richten. Drei Bücher (ein Krimi, ein historischer Krimi und ein zeitgenössisch-historischer Roman) blieben auf der Strecke. Doch mir fehlte das Schreiben so sehr, dass ich die Rechte eines historischen Romans zurückerbat und den seitdem neu schreibe, mit aller Langsamkeit, die in den Jahren der Verlagstätigkeit so nicht möglich war. Allerdings konnte ich mich weiterhin in meinem Blog und im Austausch mit SchreibkollegInnen ausprobieren. In diesen Tagen jetzt machte ich eine Entdeckung. Ich habe Hunderte von virtuell gespeicherten Fotos aussortiert und neu geordnet, ebenfalls ein paar hundert Papierfotos, die in einem Karton abseits gestellt waren. Ich habe festgestellt, dass alles, die Reisen, das Kochen, die Natur, das Wandern, die Psychologie, Bücher, Fotos, Kurzgeschichten und alle Menschen, dneen ich bisher begegnet war, alle, zu denen ich in eine tiefere Beziehung getreten bin, und das gilt auch für historische Persönlicheiten und fiktive Figuren, alles, was ich mir zeitlebens an Wissen über die Welt angegeignet hatte, eine Einheit mit meinem gesamten Leben bilden.




Mittwoch, 19. Juli 2017

Das Fuggerschloss und ein Giftanschlag

Auf einer unserer letzten Kurzreisen kamen wie ins bayerische Schwaben, zwischen Ulm und Augsburg. Ganz zufällig ist es auch das Gebiet, in dem mein Roman spielt, den ich gerade neu konzipiere und überarbeite. Dabei spielt das Fuggerschloss Babenhausen eine Rolle. Nicht weit davon ein weiteres Schlossdomizil der Fugger, der schöne kleine Ort Weißenhorn.
Die Fugger bewirkten offensichtlich im dreißigährigen Krieg, dass der Ort vor Plünderung, Verwüstung und Mord bewahrt wurde. So erfuhr ich im genealogischen Lexikon. Und moch eine Geschichte, die sich etwas  später zutrug. Eine Fuggergräfin wurde mit einem Mann verheiratet, der etwas schwachsinnig gewesen zu sein schien. Die Gräfin war aber sehr lebenslustig und begann mehrere Affären. Schließlich beschloss sie, sich ihres lästigen Gatten zu entledigen. Sie beauftragte ihre Magd, in der nächsten Stadt Mäusegift zu besorgen, von dem sie ihm zwei ropfen in seinen Schlaftrunk schüttete. Die Magd aber plagte das schlechte Gewissen, sie hinderte den Ehemann daran, aus dem Becher zu trinken. Und so kam alles ans Tageslicht. Die Familie des Gatten konnte das natülich nicht aus dich beruhen lassen. Die Gräfin wurde an einen fernen Ort verbannt, an dem sie über ihre geplante Missetat und ihr ausschweifendes Leben nachdenken konnte. Diese Geschichte ist natürlich nicht Bestandteil meines Romans.

Samstag, 15. Juli 2017

Gastronomisches Fundstück auf der schwäbschen Alb

Dass es so etwas noch gibt! Inmitten von Städten und Dörfern Baden-Württembergs, die allmählich immer mehr von Käseschachtelhäusern, Industrieanlagen und Supermärkten zugewuchert werden, verschlug es und kürzlich in ein Dorf auf der schwäbischen Alb. Wir waren auf dem Weg von Gammertingen nach Riedlingen an der Donau, unterwegs in Sachen Kurzurlaub. Abseits von dieser Route, in Hohenstein-Eglingen, fiel uns zufällig das Gasthaus "Adler" ins hungrige Auge. Da fühlt man sich wie in einer anderen, längst versunken geglaubten Welt. Hirschgeweihe an den Wänden, schöne Bildbände und Bücher, um das Warten zu verkürzen, eine Speisekarte, die sich neben vielen anderen sehen lassen kann. Unaufdringlicher, freundlicher Service. Erstmal der Salat: gelbe Rüben, Rettich und Weißkraut geraspelt, dazu grüner und Kartoffelsalat vom Feinsten. Gemischter Braten mit brauner Soße, ein riesiger Fleisckhäs mit geschmelzten Zwiebeln-von allem so viel, das man es unmöglich ganz schaffen kann. Ich fühlte mich an die Sonntagsessen bei  meiner schwäbischen Schwiegermutter in Tübingen-Derendingen erinnert. Oder an ein Gasthaus in Trochtelfingen, in dem wir an einem gewittrigen Sommerabend auf der Terasse saßen und zuschauten, wie die Wirtinnenmutter mit einer Fliegenklatsche die lästigen Biester auf ihrem Tisch vernichtete.

So setzte sich die Adlerwirtin in Eglingen zu uns und erzählte über die Schulspeisungen nach dem Krieg und wie die ausgehungerten Kinder damals in Klöster und auf Bauernhöfe verschickt wurden, um sich wieder ein wenig Speck auf die mageren Rippen zu futtern. Dieser Gasthof hat eine 200jährige Tradition, und ich gebe die Empfehlung gern weiter, damit die Tradition sich hält und vielleicht wieder Schule macht. An Sonn- und Feiertagen sei hier viel los, erzählte die Wirtin.

Sonntag, 9. Juli 2017

Unterwegs in Büchern und Zeitgeschichte

Gestern sind wir einfach mal so ins Blaue hinausgefahren. Das Blaue war allerdings gar nicht so blau wie in den Tagen davor. Es war drückend heiß, ca. 32°. Über der schwäbischen Alb und dem Neckartal türmten sich graue bis tintenblaue Wolken, ein Jenseitstheater mit  riesenkohlförmigen, schneeweißen Gebilden dazwischen. Tübingen quoll aus allen Nähten, da war nämlich ein Sommertheater angesagt. Es ist wohltuend, einfach mal ohne Ziel unterwegs zu sein. So verschlug es uns in eine kleine Gemeinde, in der wir schon des Öfteren Kaffee (oder Rhabarberschorle) getrunken haben. Zwei ältere Männer unterhielten sich über die Ereignisse in Hamburg beim Gipfeltreffen der Staatschefs. Sie waren voller Wut auf die vandalierenden Autonomen. Auch hier fand ein Fest statt. Ich wunderte mich über die "altmodischen" Stände mit Wurfbällen und Wettangel-Fischchen über Wassertrögen. Erinnert mich fast an die Jahrmärkte meiner Kindheit. Mittendrin wies ein Pappfeil auf einen Bücherflohmarkt hin. Die örtliche Bücherei wollte Platz schaffen für Neues, und so konnte man für je einen Euro Bücher aussuchen. Mein Partner hatte später eine Riesentüte voller Weltliteratur. Ich selbst sah nur diese dicken Bücher speziell für Frauen, die mir meist nur noch ein Gähnen abringen. Interessant war das Gespräch mit der Buchbetreuerin. Jemand aus dem Bekanntenkreis habe selbst ein Buch herausgebracht, das sei aber voller Fehler gewesen. Ach ja, man könne als unbekannter Autor auch ein Lektorat bekommen? Im Übrigen bevorzuge sie das deutsche Buch. Deutschland first, dachte ich, jetzt auch schon auf diesem Gebiet? Allerdings lese ich Krimis zur Zeit auch nur von deutschen Autoren, zuletzt begeistert den historischen Krimi von Jan Kilman "Heldenflucht", einen Roman aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg, und ein gelungener Genremix aus Historie und Krimi.

In der nächsten Stadt (Nürtingen) fand ebenfalls ein Fest statt. Eigentlich kamen wir gar nicht hinein, und eigentlich wollten wir nicht schon wieder auf ein Fest. Aber irgendetwas spülte uns dann doch dorthin. Unterwegs begegneten wir zwei Polizisten. Mein Freund, kontaktfreudig wie immer, fragte die Frau, wie weit es noch bis zum Fest sei (zu dem wir ja eigentlich gar nicht hinwollten, aber zum Wandern war es einfach zu heiß, die Badeplätze waren überfüllt, und zuhause im abgedunkelten Raum sitzen wollten wir natürlich ebenfalls nicht).
"Gefühlte 100 Km" meinte die Polizistin und wischte sich den Schweiß von der Stirn. "Naja, so zwei Minuten, dann sind Sie dort."
"Ganz schön hart, was ihr Polizisten da habt leisten müssen", fuhr mein Freund fort.
Sie lachte.
"Ich bin vom Ordnungsamt. Aber das war eine übergroße Herausforderung, das kann man wohl sagen. Ich kann wirklich nicht verstehen, wie eine schwarze Truppe so hemmungslos und voller Gewalt und Hass Bürger gefährden, ihr Eigentum vernichten, schweren Raub und Brandstiftung begehen kann!"
Es ging dann noch ein wenig weiter. Ich selbst bin inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass die Schwarzen mit ihrer Vermummung provoziert haben. Darauf hätte die Polizei mit Deeskalation reagieren können statt mit raschem Auflösen der Demonstration. Das rechtfertigt aber nicht im Mindesten die menschenverachtenden, brutalen Übergriffe in den folgenden drei Nächten. Ich habe bei Facebook Beiträge gesehen, in denen die Autonomen in die Nähe der SA gerückt werden. In den 80er Jahren, im Mutlanger Basiscamp, haben wir übrigens mal ein Rollenspiel gemacht und wollten herausfinden, was passiert, wenn innerhalb einer friedlich demonstrierenden Gruppe Gewalt ausbricht. Alle Versuche, die Gewalttätigen körperlich daran zu hindern, endeten in neuer Gewalt. Ich glaube, die Lösung war, eine Kette um sie herum zu bilden. Ob das allerdings auch praxistauglich gewesen wäre, steht auf einem anderen Blatt. Und über die Bekämpfung des Terrorismus wurde anscheinend überhaupt nicht geredet auf dem Gipfel.