Samstag, 30. Januar 2016

Autor und Leser - eine Kommunikation

Unlängst sah ich zufällig einen Beitrag im Fernsehen, auf einem dieser Info - und Kulturkanäle. Da hatten sie in Südamerika unter anderem Tontöpfe mit keltischen Mustern, Figuren, Inschriften und Steinschleudern gefunden, die denen aus dem europäischen Raum auffallend ähnelten. Nun, sie haben keinen Beweis dafür gefunden, dass Kelten und Phönizier schon lange vor Kolumbus nach Südamerika segelten. Mich interessierte an diesem Bericht etwas anderes. Die Höhlenmalereien von Lascaux und weitere Beispiele wie die Mammutelfenbeinfiguren aus dem Lonetal fielen mir ein. Wie kommt es, dass Menschen auch nach Hunderten oder Tausenden von Jahren Botschaften hinterlassen können, die von der Nachwelt "gelesen" werden? Es kommt daher, dass der Mensch schon immer in der Lage war, von sich selbst und seinem Leben zu abstrahieren und Kunst herzustellen. Es scheint eine Frage von Urheber und Rezipient zu sein. Ein Autor ist undenkbar ohne Leser, ein Leser undenkbar ohne Autor. Wenn man sich dazu die heutige Situation von Autoren anschaut, stellen sich viele Fragezeichen auf. Vieles von dem, was man gerade zu hören und zu lesen bekommt, könnte einem die Freude am Schreiben vermiesen. Die Klagen einer Self Publisherin liegen mir noch in den Ohren. Sie stellte fest, dass sie alle drei Monate ein neues Buch auf den Markt bringen müsste, um mit dem Tempo des Marktes mitzukommen. Am Anfang stehe immer die Kurve, die vielleicht in 1-3 Tagen hoch sei und dann unweigerlich nach unten gehe. Ähnlich ist es auch mit den Verlagsbüchern im Buchhandel. Was sich nicht innerhalb eines Monats verkauft, wandert schon bald ins moderne Antiquariat. Die Kurve nimmt keine Rücksicht auf dich. Aber irgendetwas stimmt doch dabei nicht. Wer hat da was wann falsch gemacht? Die Verlage, die Autoren, die Leser, die Erfinder von immer neuen Techniken, die Buchhandlungen, die Agenten, die Online-Riesen, die Vertreter, das Feuilleton? Die Antwort, die ich mir gebe, ist folgende: Sie sind alle gleichermaßen beteiligt, weil sich (fast) alle der Entwicklung angepasst haben. Bei Denis Scheck, so wurde mir erzählt, trat kürzlich ein Autor auf, der alles noch mit der Hand schreibt und eine Wohnung voller gedruckter Bücher hat. Bie den meisten jedoch dreht sich alles, nicht nur bei Büchern, nur noch um "billig", ich nehme uns da gar nicht aus. Und bei dem Versuch aller, sich den billigsten und gleichzeitig dicksten Teil des Kuchens aus der Torte zu reißen, kann es einzig und allein darum gehen, die Gewinne daraus gerecht zu verteilen.

Gestern, an einem Frühlingstag mit wolkenlosem Himmel, hatten wir ein Aha-Erlebnis. Nach einem Spaziergang am Rand der Alb landeten wir wie schon so oft in einer unserer Lieblingsstädte, in Reutlingen. Wie immer, statteten wir auch der Buchhandlung Osiander einen Besuch ab. Ja, es ist inzwischen ein Genuss für mich, zwischen den Räucherstäbchen und Tassen auch Sessel mit lesenden Menschen zu sehen. Dabei wird es immer schwieriger für mich, in den Tausenden von gleichfarbigen Büchern etwas Ansprechendes zu finden. Meistens lande ich bei Reiseberichten und regionalen Reisebüchern. Bevor es losgehen konnte, fuhren wir mit dem Aufzug nach oben, um gewisse Örtlickkeiten aufzusuchen. Dort landeten wir aber nicht, sondern in einem Stockwerk, das wir noch nie zuvor gesehen hatten. Da lagen Tausende von Büchern in Sammelkästen, der buchhandlungseigene Flohmarkt, auf dem man Bücher zwischen ein und 10 Euro erstehen konnte. Und was habe ich dort gefunden? Alles, was ich unten schon lange nicht mehr finde. Ich fand einen Baden-Baden-Krimi von Rita Hampp, der mir sehr gut gefällt, weil ich auch was von der Umgebung und der Stadt sehe, zwei Bücher von Wulf Dorn, dessen Kommen und Gehen ich überhaupt nicht mehr mitbekommen hatte, einen Thriller des Pompeji-Autors Robert Harris sowie einen historischen Krimi von Petra Ölker. Nachdem ich vor lauter Leseverzweiflung schon auf literarische Texte aus dem 19. Jahrhundert umgeschwenkt war, bedeutet das für mich einen inneren Vorbeimarsch.

Hier noch ein leidenschaftliches Plädoyer für uns Autoren von Nina George: Schatz, wir müssen reden.

Dienstag, 19. Januar 2016

Schwarzwaldschneesturmgedanken

Zwischen Silvester und Mitte Januar gab es eine Phase, da war alles dunkel, trübe, nass, kalt und hoffnungslos. So, wie ich es aus früheren Zeiten nur im November kenne. Dazu die erdrückende politische Lage. Ja, es hatte mich erwischt, ich hatte keine Lust mehr zu feiern, irgendwohin zu fahren, richtig an meinem Roman weiterzuschreiben, etwas Gutes zu kochen oder mich mit Leuten zu treffen. Das kann ja heiter werden, dachte ich, die deutschen Winter ohne Arbeit und ohne Schreiben, wie soll man das bloß überleben? Wäre es da nicht besser, sich einen Wanst anzufressen und in einer Höhle seinen Winterschlaf zu halten? Nicht einmal in meinem Blog schaffte ich einen Eintrag. Worüber sollte ich auch schreiben? Was ein Tübinger Professor zur Überwindung der Terrorangst gesagt hat? Dass die Touristen jetzt verstärkt in den Schwarzwald reisen, weil ihnen andere Ziele zu gefährlich erscheinen? Dass ich nebenher noch mit nervigen familiären Angelegenheiten beschäftigt bin? Oder eine Große Schwarze Schreib-Blockade habe? Wer würde denn das noch lesen wollen?

Irgendwann in den letzten Tagen kam dann die Rettung durch einen orkanstarken Schneesturm im Schwarzwald. Nicht dass ein Schneesturm etwas Gutes wäre. Im Gegenteil, zunächst brachte er Bäume zum Umfallen, schoss eisige Schneekristalle vor sich her, ließ den ganzen Tag und die ganze Nacht und wieder den nächsten Tag Unmassen von Flocken zur Erde segeln, stieben und sausen, über die sich ein immer höher werdendes Leichentuch breitete. Die Büsche bekamen riesige Mützen, die Katze lief im Schnee und versuchte sich erst kreischend, dann klammheimlich in die Wohnung zu mogeln, die Nachbarn überboten sich mit Schneegeschaufel, und in den Bergen stauten sich kilometerlange Blechschlangen. Sehr viele Autofahrer landeten im Graben, andere arbeiteten sich zu den Skizentren durch, wo sie sich endlich einmal in echtem Schnee austoben durften und nicht in dem aus der Kanone. Viele Menschen murmelten im Vorbeigehen, dass man doch jetzt eigentlich auf Frühling eingestellt gewesen sei. Da haben doch schon Veilchen und Frühlingsspringkraut geblüht! Aber als all der Bockmist vorüber war, brach sich eine lang vermisste Sonne durch die Wolkendecke und verwandelte die Landschaft in eine eisig glitzernde, wundervolle Szenerie.

Ja, warum wird der Winter in der Fasnachtszeit mit Feuer und Mummenschanz ausgetrieben? Weil der Frühling die Schlafmützenzeit beendet und neues Leben bringt. Wir fangen schon mal damit an. Jeden Tag erleben wir kleine Abenteuer, machen Entdeckungen in der Nähe, die wir doch übergut zu kennen meinten, laufen, wo das gerade noch möglich ist und inspizieren die umliegenden Geschäfte und Märkte auf die Güte ihrer Waren hin. Sollten wir auf gute Lebensmittel stoßen, wird das sicher auch mit dem Kochen wieder was. Und nachdem die Sinne sich wieder halbwegs aufgestellt hatten und halbwegs einSchreiben wieder möglich war, stieß ich auf einen Beitrag von Petra van Cronenburg, in dem alles stand, was ich in diesen vergangenen toten Tagen auch gern erlebt und bewirkt hätte. Mut kann man nicht kaufen. Besser kann man einen Aufbruch nicht beschreiben.

Freitag, 8. Januar 2016

Wie Autoren heute veröffentlichen

Als ich vor knapp fünfzehn Jahren mit dem Schreiben von Romanen begann, sah die Autorenwelt noch ganz anders aus. Man schickte seine Manuskripte auf bedrucktem Papier an die Verlage und wartete im Schnitt vier Monate, bis eine Absage im Briefkasten lag. Oder auch eine Zusage, damals für meinen ersten schon per Email von einem renommierten kleineren Verlag. Den zweiten fand ich im Internet, das war ein Zweipersonenverlag. Mit beiden LektorInnen gab es lange persönliche Gespräche und ein sorgfältiges Lektorat. Beide Bücher erhielten gute Zeitungskritiken, tauchten aber in kaum einer Buchhandlung auf. Die nächsten vier Bücher erschienen in einem Verlag, den man damals noch als größeren Publikumsverlag bezeichnete. Diese historischen Romane lagen anfangs recht lange auf Stapeln in den Buchhandlungen; allerdings verkürzte sich die Verweildauer von Jahr zu Jahr. Zwischendurch noch eine Veröffentlichung bei einem kleineren lokalen Verlag. Das letzte gedruckte Verlagsbuch von mir erschien im Juni 2013.

Es begann eine neue Ära, nicht des Schreibens, aber des Veröffentlichens. Mit zwei Verlagsbüchern, deren Rechte ich zurückbekommen hatte bzw. deren E-Bookrechte ich gar nicht erst vergeben hatte, ging ich ab Herbst 2012 ins Self Publishing. 2015 folgte ein neu geschriebenes Buch. Von Amazon, dessen Konditionen für mich nicht mehr reizvoll waren, wechselte ich Ende September 2015 zu Tolino. Dort fühle ich mich bisher sehr wohl, zumal auch Sonderaktionen für meine Bücher veranstaltet wurden. Und die gute Nachricht kam nach Weihnachten: Die 70% Beteiligung der Autoren wird auch über den 31. Januar hinaus gewährt.

Jetzt habe ich mich einmal umgeschaut, wie es denn bei anderen läuft. Meines Wissens haben schon viele mir bekannte Autoren die Möglichkeit des Self Publishing genutzt. Ein Kinderbuchautor, der schon circa sechzig Bücher bei einem Verlag herausgebracht hatte, erzählt im Deutschlandradio davon, dass Autoren heute kaum noch Ansprechpartner hätten (es sei denn, sie sitzen bei einem Verlag ganz fest im Sattel oder schreiben Bestseller). Wie Autoren heute veröffentlichen.  Die meisten Bücher - wie ich auch schon bemerkte - hätten heute eine viel kürzere Überlebensdauer, nämlich zwischen vier Monaten und zwei Jahren. Die Backlist, bis vor ein paar Jahren von den Verlagen noch gepflegt, lohnt sich für sie aus Kostengründen nicht mehr. Viele Autoren müssten sich für jedes neue Buch einen neuen Verlag suchen. Thomas Fuchs, der Kinderbuchautor, hat sich eine Autorenvereinigung namens "Gegenwind" herausgesucht, in der sich die Autoren gegenseitig beim Self Publishing unterstützen. In einem anderen Bericht des Börsenblatts werden Autoren aufgeführt, die ihrer eigenen Backlist durch E-Books und Print-on-Demand einen ganz neuen Aufschwung gegeben haben. Hybridautoren.

Beide, das Interview und der Artikel, erschienen im Juni des vergangenen Jahres. Inzwischen hat sich ja einiges in der Verlags - und Bücherwelt getan. Einmal gab es das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, nach dem die Verlage nicht berechtigt seien, Anteile aus den Verwertungsgesellschaften wie VG Wort zu beanspruchen. Im Gegenzug werden Befürchtungen laut, dass der drohende Geldverlust auf die Autoren mit niedrigeren Vorschüssen usw. abgewälzt werden könnte. Dann wurde, wie von mir schon vor einiger Zeit berichtet, vom Bundesministerium der Justiz eine Urheberrechtsnovelle eingebracht, über die im März im Bundestag diskutiert werden soll. Sie hat es sich zur Aufgabe gesetzt, die Autoren besser für ihre Arbeit zu entlohnen und ihnen nach fünf Jahren die Rechte an ihren Büchern zurückzugeben. Das hat die Autorenschaft gespalten. Es gab einen Autorenbrief an die Regierung, in dem sie beschworen wird, das Gesetz nicht durchzubringen, weil sonst die Symbiose zwischen Verlag und Autor gestört werde. Verlage könnten Autoren nicht mehr über Jahre aufbauen und keine Lizenzen ins Ausland mehr vergeben. Die Diskussion darüber ist im Autorenforum Montsegur nachzulesen. Und ich frage mich jetzt auch: Wenn es doch Praxis ist, dass renommierte Autoren sich für jedes Buch einen neuen Verlag suchen und ihre Backlist nach zwei Jahren selber herausgeben müssen, wo ist dann die Symbiose? Das Modell, das hier vertreten wird, passt wohl eher in die Zeit, die ich anfangs beschrieben hatte. Das neue Gesetz wird seine Tücken und Fallstricke haben, aber im Großen und Ganzen wird es den Autoren doch nützen, ihre Backlist und ihre eigenes Autorengeschick selber in die Hand nehmen zu können.
Eine ausführliche Beschäftigung mit dem Thema "Verdienst von Autoren" kann man auch bei Martha Sophie Marcus nachlesen: Marthas Schreibtisch.