Donnerstag, 29. Januar 2015

Autorin auf Abwegen

Es ist nicht viel passiert inzwischen, und doch ist viel geschehen, nicht nur in der Politik. Kürzlich habe ich hier über den virtuellen Selbstmord reflektiert und kam zu dem Schluss, dass es genausowenig ein Selbstmord ist wie dasVerlassen eines realen Raumes. Es ist das Verlassen eines fiktiven Raumes, den es gar nicht erst gegeben hätte, wenn nicht Millionen von Menschen ihn nutzen würden. Man kann eine Tür öffnen und sie auch wieder schließen, man kann hineingehen und wieder hinausgehen und wieder hinein, wenn man denn das Bedürfnis hat. Ich habe die Tür angelehnt, sozusagen, und bin wieder hinausgegangen in die Welt. Dort treffe ich auf Menschen, die fest mit beiden Beinen auf der Erde stehen und auf solche, die sich auf irgendeine Art hinausbeamen in ein schöneres Leben. Statt mich in meiner Küche täglich zu fragen, was ich denn bitte kochen könnte, schwinge ich mich in mein fahrbares Gestell und gehe mit anderen Essen, mal schwäbisch, mal griechisch, italienisch oder chinesisch. Statt stundenlang vor dem Monitor zu sitzen und meine Geschichten in die Tastatur zu hämmern, lese ich, putze ich, kaufe ein und schaue mir im Fernsehen die Traumlandschaften der Alpen an, die ich bestimmt demnächst besuchen werde. Wenn es nicht mehr so grau, so kalt und nass sein wird. Meine letzten beiden Romane habe ich in den virtuellen Keller zum Reifen gebracht. Es ist mir nicht geichgültig, was aus ihnen wird. Aber ich möchte sie nicht feilbieten wie Sauerbier, und das Selbermachen schiebe ich noch hinaus. Ich habe keinen virtuellen Selbstmord begangen, denn ich bin ja noch da, alles ist noch da. Im Großen und Ganzen sagt mir mein Ego, dass es Zeit für eine Pause ist. Danach kann man dann immer mit neuer Energie wieder durchstarten.

Dienstag, 20. Januar 2015

Amazon, unser großer Buch-Discounter

Vorhin schalteten wir zufällig eine Doku über einen Discounter-Check im Zweiten ein. Wie gut sind unsere Lebensmittel? So etwas schaue ich mir liebend gern an, weil es immer was zum Lachen, zum Staunen und zum Lernen gibt. Sternekoch Nelson Müller hat jeweils im Supermarkt, im Fachhandel und in den Discountern wie Netto, Aldi, Lidl und Penni eingekauft, um die Lebensmittel zu checken und jeweils identische Menüs daraus zu bereiten. Wer die Sendung versäumt hat und sie sich gern noch einmal ansehen möchte, kann das mit dieser Aufzeichnung tun. Aldi, Lidl und Co. Es gibt bestimmte Dinge, die man im Discounter kaufen kann - wie Kaffee, Nudeln, Tiefkühlware. Die Finger lasse ich schon lange von Fertigprodukten, weil da getrickst und getäuscht wird, dass es kracht! (siehe die Scheibletten, die nur einen Rest an echtem Käse enthalten oder den Vanillepudding, wo alles drin ist, nur keine Vanille). Enthalten sollte man sich auch des frischen Fleisches, des Fischs und der Nudelkreationen aus den Kühltheken. Sie befanden sich beim Test zwar am Rand der Frische, fielen beim Essen jedoch stark ab im Geschmack. Ja, das weiß ich doch schon sehr lange, dass alles Abgepackte nicht schmeckt! Je weniger Zutaten auf der Liste, desto naturbelassener die Lebensmittel.

Später ging es dann um die faire Herstellung. Ein Landwirt erzählte, dass eines Tages Aldi an ihn herangetreten sei, damit er massenweise Eier für den Discounter produziert. Er hatte dann vergrößert und schuftete wie verrückt. Eines Tages kam Aldi daher und gab dreißig% weniger für die Eier. Seitdem schuftet der Landwirt weiter und weiter und wäre heute ruiniert, wenn er nicht wieder verkleinert hätte und heute an verschiedene kleinere Betriebe liefern würde.
"Erst hat er uns abhängig gemacht", erzählt der Landwirt, "um dann mit niedrigeren Preisen zuzuschlagen". Aha, dachte ich, auch wenn Amazon als Discounter Ware liefert, die dem der Buchläden in nichts nachsteht, entzieht er jetzt doch seinen Produzenten, den Autoren, einen Teil der Basis. Plötzlich ist eine Flatrate da, und wir bekommen nur noch den halben Preis für unsere Ware. Sollten wir nicht auch viele kleinere Händler beliefern, anstatt uns von einem Monopolisten mit riesiger Marktmacht abhängig zu machen? Ich habe doch sonst oft die Spürnase. Im Discounter habe ich schon echt gute Schnäppchen entdeckt, was mir in dieser Sendung bestätigt wurde: Das Schweizer Rösti von Aldi ist super, auch wenn es in Stuttgart oder Hamburg hergestellt wurde, die Spezialitäten aus den Ländern sind immer dann gut, wenn sie aus dem wirklichen Herkunftsland kommen-die griechischen weit besser als die Thai-Suppen und Eintöpfe, die den thailänischen Köchinnen nur ein Kichern abringen können. Und auch der alpenländische Schnaps sei nicht zu verachten. Zunehmend sehe ich auch Bücher in den Supermärkten und Discountern, meist superbillig. Discounter sind Flatratemaker, die immer billig suggerieren, obwohl wir das mit unseren Steuergeldern subventionieren. Amazon subventioniert mit den Tantiemen der Autoren. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Nur das Lektorat, das Korrektorat, das Marketing und das professionelle Cover hat es nicht mitgeliefert. Wenn ich doch diese Spürnase für gute Dinge habe: Warum finde ich diese vielen kleineren Abnehmer nicht für meine "Ware Buch", für die ich ebenso lange und sorgfältig gearbeitet habe wie viele der Lebensmittellieferanten?

Montag, 19. Januar 2015

Was auch in der Zeitung stehen könnte

Zur Zeit tue ich mich etwas schwer mit den Eintragungen in meinem Blog. Unser Motto war ja immer, nur das zu schreiben, was auch morgen in der Zeitung stehen könnte. Und in den meist virtuellen Zeitungen lese ich, es würden jetzt überall derart massive Bedrohungen angekündigt werden, dass man sich am besten in einem Blockhaus in Kanada verstecken sollte. Aber auch dort würde man sicher gefunden und ausgerottet werden. Todenhöfer hat einen IS-Anhänger interviewt. Aldi habe eine Seife, auf der eine Moschee abgdruckt war, aus dem Betrieb genommen, in Dresden wurde eine Veranstaltung der Pegida abgesagt. Das und noch viel mehr steht in den Zeitungen.

Und doch hat ein jeder nach wie vor sein Alltagsleben neben dieser Bedrohung. Mich beschäftigen auch noch ganz andere Dinge. Die Gestaltung der paar Monate, bis ich frei von Broterwerbsarbeit bin. Die Freude darauf und die Spannung, was sich wohl ändern wird. Ob ich dann wirklich mehr Zeit zum Schreiben habe? Die Entwicklung, die sich bei den Verlagen, aber auch bei Amazon abzeichnet. Die Hürden und Messlatten, um an die Verlage und Agenturen heranzukommen, werden immer höher und unüberwindlicher, die Wartezeiten immer länger, der Verkaufsdruck immer stärker. Bei Amazon sieht es so aus, als hätte ich gerade noch ein starkes halbes Jahr vom Kuchen abbekommen, den sich jetzt immer weniger Spitzenverdiener teilen. Und wer viel verkauft, wird fürstlich belohnt, hüben mit Boni, drüben mit neuen lukrativen Verträgen und gewaltigen Vorschüssen. Ich bin momentan gar nicht so erpicht darauf, auf ein weiteres Karussell aufzuspringen. Verkaufsdruck ist ein Kreativkiller! Am besten geht es mir, wenn ich einen neuen Roman überarbeite und feststelle, dass sich meine Stimme weiterentwickelt hat. Wenn ich wieder den Raum finde, um Neues zu entwickeln. Oder wenn ich eines der Bücher lese, die wir wieder angeschleppt haben. Bücher und Schreiben werden meine Zukunft sein.

Dienstag, 13. Januar 2015

Zauberhafte J.K. Rowling

Zu den überwältigenden und weltumspannenden Ereignissen am letzten Sonntag in Frankreich habe ich im letzten Beitrag einen Link zu Petra van Cronenburg gesetzt. Wer anders als sie könnte das so hautnah beschreiben! Hier ist inzwischen mehr oder weniger wieder der Alltag eingekehrt. Auf den Hinweis einer Kollegin hin habe ich mir vorgestern Abend den biografischen Film über J.K. Rowling angesehen. Was dabei vor allem rüberkam, war die Gewissheit, mit der diese Autorin ihren Weg gegangen ist. Sie hat schon ganz früh gewusst, dass sie Schriftstellerin werden wollte, und dass alle anderen Lebensereignisse nur Umwege zu diesem Ziel sein würden. Die Mauern, die sie einrennen musste, waren dick genug. Eine gescheiterte Ehe, Gewalt durch den Ehemann, alleinerziehende Mutter, kein Geld, kein Job, Sozialhilfe. Die Schreibmaschine, die sie sich vom Mund abgespart hatte. Die Absagen der Agenturen, die unzähligen Absagen, welche die eine Agentur, die an sie glaubte, dann noch erhielt. Dann die Zusage von Bloomsbury, das Schweben durch die Schule, in der sie gerade unterrichtete, das erste Buch in eigenen Händen, wie es duftete, eine Lesung vor wenigen Leuten -und dann der kometenhafte Aufstieg nach Amerika und bis zu 400 Millionen verkauften Büchern bis heute. Alle drei Minuten beginne auf der Welt jemand damit, Harry Potter zu lesen. Ich selbst habe die Bücher nicht gelesen, bin aber überzeugt, dass die Autorin ihr Lebensziel mehr als erreicht hat. Bei einer Besprechung in einem kleinen Verlag sagte uns die Verlegerin, J.K. Rowling habe es geschafft, dass auch Menschen, die sonst nie ein Buch in die Hand nehmen, angefangen hätten zu lesen. Das bekam ich gestern auch von einem ehemaligen Klienten zu hören, dass er seit sechs Jahren nicht mehr gelesen hätte und nun, nach Lektüre eines meiner Bücher, mehr lesen möchte. Für einen Autor - und die Erfolgsgeschichte von Rowling dient ja immer so gern als Mittel gegen Schreibblockaden -ist das auf jeden Fall ein Kompliment.

Freitag, 9. Januar 2015

Woher kommt der Hass?

Bisher habe ich keine Worte gefunden, um etwas über den Anschlag vom 7. Januar sagen zu können. Ich kann nur etwas über meine Versuche berichten, mehr Klarheit über die Hintergründe zu bekommen. Gestern Abend wartete ich auf die Spätausgabe der Tagesschau und habe dabei die restliche Sendung von "Panorama" mitbekommen. Da ging es offensichtlich um das Internet und seine Auswirkungen auf die gesellschaftliche Entwicklung. Einer meinte, es sei eine neue, global miteinander verbundene und kommunizierende Welt entstanden, in der alle alles teilen und das ganze Leben öffentlich geworden ist. Dass sei gut so, denn schon in früheren Jahrhunderten habe man in großen Räumen nebeneinander und miteinander geschlafen und sei öffentlich miteinander auf der Toilette gesessen. Eine Frau hielt dagegen, dass jede Privatsphäre schwindet, jeder jeden aushorchen und überwachen kann. Dann sah ich die Bilder der Fahndung im Fernsehen, sah die solidarische Gemeinschaft der Pariser und aller Franzosen, die sich ihre Freiheit nicht wegnehmen lassen wollen. So habe ich es auch eingeschätzt, dieses Volk, das sich durch eine Revolution eben diese Freiheiten erkämpft hat.

Ich habe Angst, wie sicher Millionen andere auch, gleich welcher Nationalität und welcher Religion. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber, wie wir alle wissen. Heute wollte ich mehr über die Hintergründe wissen und habe in den virtuellen Zeitungen geblättert. Da fand ich einen Artikel bei NTV, der sich mit der deutschen Terrorabwehr beschäftigt. So effektiv ist Deutschlands Terrorabwehr.
Deutschland hat bisher Glück gehabt, während es in Frankreich schon verschiedene tödliche Anschläge gab, alle in Folge des 11. September 2001, obwohl es auch bei uns schon zehn versuchte Anschläge gab. Entweder haben Zünder versagt, eine Bombe wurde rechtzeitig entdeckt oder derjenige rechtzeitig verhaftet. Auf dieses Glück könne man sich aber nicht verlassen. Die Franzosen hätten effektivere Möglichkeiten, gegen Terrorismus vorzugehen. Und für diese Möglichkeiten einer stärkeren Abwehr müsste auch mehr Geld bereit gestellt werden, müssten die Lauschangriffe noch intensiviert werden, auch wenn das die Bürgerrechte immer mehr einschränke. Die sind aber sukzessive im Lauf der Jahre sowieso mehr und mehr eingeschränkt worden, ich denke bloß an das Brimborium, das sich um die Flüge herum entwickelt hat.

Der nächste Artikel der "Zeit" beschäftigt sich mit den Hintergründen der mutmaßlichen Attentäter. Sie waren ja so zerfahren und haben ihren Ausweis im Wagen liegengelassen. Dazu schreibt die Zeit einen Artikel über die beiden Brüder, die jetzt gezielt im Nordosten von Paris gesucht werden. Woher kommt der Hass? Es werden zwei Begriffe genannt: Das Internet und eine radikalisierende Sozialisation. In Gefängnissen und im Internet hätte sich diese Radikalisierung erst voll entwickelt - und richte sich gar nicht gegen religiöse Unterschiede (zwei der Getöteten waren nämlich Muslime), sondern gegen ein verhasstes System. So viel mutmaßt man bis jetzt, dass nämlich keine Organisation dahinter zu stecken scheint. Letzte Meldung der Tagesschau um 12.00: Die Reporter wurden erstmal weggeschickt, Krankenwagen wurden bereit getsellt, die Hauptstraße geräumt. Man bereitet sich auf einen Sturmangriff auf das Quartier der beiden Brüder vor, die inzwischen ein Auto gestohlen und eine Frau als Geisel genommen haben.

Ich weiß so wenig wie jeder andere eine Lösung. Angst und Weggucken sind sicher die schlechtesten. Solidarität und Aufklärung, wie sie gerade massenhaft entstehen und praktiziert werden, die einzige Antwort. Und da ist die Öffentlichkeit, auch und gerade des Internets und anderer Medien, absolut geeignet, eine Bedrohung, die mehr ist als alles Bisherige, abzuwehren und das Wissen und die Besorgnis darüber mit anderen zu teilen.

Einkaufen gehen von Petra van Cronenburg
Glotze gucken -Petra van Cronenburg zum Tag, an dem Millionen demonstrierten

Montag, 5. Januar 2015

Heimatjahre

Es geschieht sehr selten, dass ich ein Buch, das ich gerade lese und das mich begeistert, hier vorstelle. Man erinnere sich an Felix Huby, langjähriger Autor und Publizist, Schöpfer von vielen Krimis, die im süddeutschen Raum spielen. Die Tatort-Kommissare Max Palu, Jan Casstorff und Ernst Bienzle sind seiner Feder entsprungen. Jetzt hat er beim Verlag Klöpfer&Meyer in Tübingen ein Werk herausgebracht, das so richtig in meine momentane Suche hineinpasst und mir unvergessliche Lesestunden am Abend verschafft. Vom selben Verlag begeisterte mich übrigens auch das Wanderabenteuer "Westwegs" von Johannes Schweikle.
"Heimatjahre", da möchte man doch gleich an "Schillers Heimatjahre" von Hermann Kurz denken, ein Buch, das er fast hundertfünfzig Jahre vorher schrieb. Es geht um ein kleines Dorf bei Tübingen gegen Ende des letzten Weltkriegs. Die Bewohner werden in ihrer ganzen Vielfalt beschrieben, es ist viel Autobiografisches dabei, und ich sehe Bilder aus meiner Kindheit aufsteigen. Den Ausscheller, habe ich den nicht auch noch erlebt, den Lumpensammler, den Schuster und diese komischen klapprigen Busse? Ganz baff war ich, als ein Einkaufsnetz erwähnt wurde. Da erstand vor meinem inneren Auge so ein gelbrotes Netz aus Nylon, das man früher mit zum Kaufmann an der Ecke nahm. Bei dem man einzeln Lollies für fünf Pfennige kaufen konnte und Lakritzrollen. Die Frigeo-Brause gibt es heute noch, ebenso den Pustefix, die Fabrik steht in einem Ort zwischen Tübingen und Rottenburg. Ganz großes Kino, muss ich sagen! Parallel dazu läuft im ZDF ein Dreiteiler über dieselbe Zeit - über Tannbach, ein geteiltes Dorf zwischen der Ex-DDR und Bayern. Ja, das ist sehr inspirierend. Eine ganze Weile werde ich mich noch inspirieren lassen, bevor ich mein nächstes Werk angehe. Und währenddessen registriere ich, dass die E-Bookverkäufe seit dem 1.1. 15 stagnieren, die Kindle Unlimited Ausleihen dagegen hochgehen. Es ist weiterhin ungewiss, wohin die Reise gehen wird. Ich bin auf jeden Fall mal in ein Boot gestiegen.