Sonntag, 31. August 2014

Der Dreiundneunzigjährige, der aus dem Auto stieg ...

Heute regnet es permanent wie aus Kübeln, und ich habe unendlich Zeit für mich. Kann alles erledigen, was schon lange liegengeblieben war, kann TerraX gucken, mich mal wieder bei Facebook umschauen, was Schönes kochen und schreiben. Eigentlich ist es die Zeit des Altweibersommers, wenn morgens der Nebel aus dem Tal aufsteigt, Spinnweben in den Hecken hängen und sich das Laub allmählich bunt verfärbt. So hielt es uns gestern nicht mehr in der kalten Stube, wir landeten auf den Feldern, Wiesen und Wäldern oberhalb des Neckars bei Oberndorf (Ja, das Oberndorf mit der Waffenfabrik Heckler&Koch, über dessen Lieferungen gerade poltisch verhandelt wird). Bei der Suche nach dem Weg zum Trauf parkten wir an einer Wegkreuzung mit spätsommerlich verfärbten Gärten. Ich sah einen Mann recht schwungvoll aus einem Auto steigen. Er zückte seine Nordic -Walking -Stöcke und wanderte los.
"Ein schöner Tag zum Laufen, nicht wahr?", rief mein Begleiter ihm zu. Erst beim dritten Mal reagierte der Mann.
"I muaß laufe", sagte er. "Bin gestern aus dem Krankenhaus komme, Operationen, brauche Sauerstoff."
"Das ist recht", meinte mein Begleiter. "Nur net einroste."
Der Mann wurde gesprächig, zeigte uns einen Rundweg, den wir laufen konnten.
"Bin 93 jahre alt", gestand er stolz.
Wir waren baff. Ein Auto fuhr langsam vorbei.
"93 Jahre!", rief mein Begleiter den Insassen zu. "Wenn das kein Vorbild ist!"
Dann liefen wir los.
"Ja, ihr seid etwas schneller", sagte der Mann und stapfte voran.

Wir liefen unsere lange Runde zwischen Maisfeldern hindurch, an deren Rändern Sonnenblumen standen. Sie hatten ihre Gesichter von der Sonne abgewandt.
"Vielleicht gucken sie nur nach Osten, wo die Sonne aufgeht", vermutete ich. In den Wäldern standen massenhaft Pilze, die aus dem triefenden Moos geschossen waren. In der Ferne rotdachige Häuser und die blaue Mauer der schwäbischen Alb. Ganz unspektakulär, das alles, und doch unvergesslich. Ich habe das Buch "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" nicht gelesen, aber ich vermute, dass diesen Erdenbürger dasselbe antrieb wie unseren Wanderer: Es ist nie zu spät, noch einmal loszugehen.

Samstag, 23. August 2014

Amazon, mein Buchmarkt und meine Lorbeerträume

Gerade in MatthiasMattings "Selfpublisherbibel" gefunden:Warum es keinen fairen Buchmarkt gibt. Das war für mich das Klarste und Vernünftigste, was ich bisher über dieses Thema gelesen habe. Mal ganz persönlich betrachtet: Waren die Verlage bisher fair zu mir? Ja, sie haben (fast) alles erfüllt, was vertraglich ausgemacht war: Sie haben meine Bücher gelesen, lektoriert, korrektoriert, ein Cover und einen Klappentext gemacht und dafür gesorgt, dass es in die Buchhandlungen gekommen ist. Auch das eine oder andere Extra an Werbung hat es gegeben. Es gab Lektoren, zu denen ich in den Verlag oder nach Hause gekommen bin, es gab welche, die zu mir gekommen sind und wiedrum welche, mit denen ich mich nur über Emails ausgetauscht habe. Mit einigen habe ich stundenlang telefoniert. Der Vorschuss wurde immer mit den Ergebnissen der folgenden Bücher verrechnet. Absolut fair und ganz im Sinne der Verlage. Fair ist es vielleicht nicht, Autoren so lange auf Antworten und Entscheidungen warten zu lassen, aber es scheint betriebsbedingt unumgänglich. Seit ich die Entscheidungsmöglichkeit habe, selbst zu veröffentlichen, brauche ich nicht mehr so lange zu warten. Wenn ich keine Lust mehr habe, auch, wenn ich keine Lust mehr habe, Manuskripte auszudrucken und herumzuschicken, engagiere ich einen Lektor (kenne inzwischen etliche!) und eine meiner Grafikerinnen und lege los. Alles verlagert sich dann auf meine, die selbstverlegerische Seite. Das Geld für das letzte Cover war in einem Monat wieder drin. Und ich glaube, je mehr qualitativ gute Bücher ich herausbringe, desto eher wird sich das alles ammortisieren. Ich habe mit Amazon einen Alternativanbieter und könnte es auf die Dauer auch noch mit anderen Distributoren versuchen. Und selbst wenn Amazon mit unlauteren Methoden arbeitet und demnächst den Autorenanteil auf 35% senken sollte, so sind das immer noch zehn Prozent mehr als das, was ich bei Verlagen für E-Books bekomme. Alle kapitalistisch orientierten Händler haben Lockangebote, später gehen die Preise dann wieder hoch. Durch diese Änderung in den Buchmarktbedingungen habe ich jetzt plötzlich wieder Zeit. Ich muss nicht mehr viel Aufwand in die Bewerbung meiner Bücher stecken, im Gegenteil, ich habe mehr Zeit als je zuvor. Zeit zum Schreiben, zum Shoppen, zum Wandern, so das Wetter mitmacht, und Zeit zum Träumen. In Frankfurt kam der Plan zustande, zusammen mit meinem Sohn David nach Madeira zu fliegen - Anfang Oktober, wenn Land und Meer noch warm sind vom ewigen Frühling und vom langen Sommer. Dort gibt es ganzjährig Blumen und blühende Bäume, man kann Levadawandern, schwimmen, fotografieren und einfach relaxen (chillen). Dabei entdeckte ich, dass zwei meiner ersten Kurzgeschichten von 2001 (in jenem Jahr war ich nämlich erstmalig auf Madeira) mit den Titeln "Lorbeerträume" und "Der Sturm" auf Madeira spielen. Vielleicht wird mein Traum vom Wander-und Reisebuch doch noch einmal wahr. Und wann immer ich wirklich Zeit und Lust dazu haben werde, nehme ich den Anbieter, mit dem ich es am besten verwirklichen kann.

Mittwoch, 13. August 2014

Interview mit Tintenhexe: Autoren sind der Kern des Buchbetriebs!

Heute ist das Interview erschienen, das die Buchbloggerin Tintenhexe vor einigen Wochen mit mir geführt hat. Christa S. Lotz spricht über ihre historischen Romane und das Schreiben
Es hat mir Spaß gemacht, die Fragen  zu beantworten, und es hat ebenso Spaß gemacht, es noch einmal durchzulesen. Und es klingt alles so schön und verlockend, dass ich gern da weitermachen würde, wo ich damals aufgehört habe. Herzlichen Dank an Tintenhexe! Im Interview mit Sabine Schäfers habe ich noch gesagt, dass ich gerade eine längere Schreibpause mache. Die ist seit einigen Tagen vorbei, der 18.-Jahrhundert-Krimi hat mich wieder gepackt, zumindest so, dass ich jeden Tag ein wenig schreibe, Tendenz steigend. Hier die letzte Frage und meine Antwort darauf, das weitere Schreiben betreffend. Die Zukunft hat ihr Licht schon vorausgeworfen, als ich das schrieb.
Was erscheint als Nächstes von dir?
Im Juni erscheint mein E-Book „Teufelswerk“, das im Jahr 2011 als Printausgabe eines kleinen Verlages veröffentlicht wurde, unter dem Titel „Das Vermächtnis des Bischofs“. Davon wird es auch keine weitere Printausgabe geben, weil ich nur die E-Bookrechte habe. Was dann als Nächstes erscheint, ist noch offen. Wahrscheinlich ist es der Schwarzwälder Psychokrimi „Martinsmorde“ bei einem Verlag oder als selbst publiziertes E-Book. Im letzteren Fall bräuchte ich dann noch eine Designerin für das Cover, einen guten Lektor und ein Korrektorat. Dabei sehe ich optimistisch in die Zukunft, denn Autoren sind der Kern des Buchbetriebes und werden es bleiben, egal, wohin sich das Ganze noch entwickeln wird.

Letzter Eintrag: Jeff Bezos, Amazon: Jagd auf die Gazellen

Sonntag, 10. August 2014

Amazons Spähauge und ich

Gestern verschlug es uns mal wieder nach Weil der Stadt. Draußen, hinter der alten Stadtmauer, war ein kleiner Tisch mit Büchern aufgebaut. Eine große, schlanke, ältere Frau im roten Kleid durchsuchte sie mit spitzen Fingern.
"Alles schon gelesen" stellte sie mit einem Seufzer fest. "Kürzlich habe ich ein Buch in den Händen gehabt, das vor den Gefahren des Internets und des Ausspähens gewarnt hat." Es folgte ein Gedankenaustausch mit meinem Begleiter, der Handy- und Internetverweigerer der ersten Stunde ist. Unwillkürlich musste ich an Amazon denken, das auf seinem Reader feststellen kann, ob ein Leser mehr als 10% eines Buches gelesen hat - und dementsprechend mir als Autorin einen Anteil aus der Leihbücherei zukommen lässt. Werden die mich eines Tages rausschmeißen aus dem KDP-Programm, wenn ich etwas Negatives über sie schreibe? Wes Brot ich ess, des Lied ich sing - das galt sicher nicht nur für die Minnesänger und ihre hohen Herrschaften, die sie besangen! Nun ist Amazon durch seine Geschäftspraktiken ja allgemein in Verruf geraten, es gibt viel Wirbel und Unterschriftenlisten in den USA und hier, auch von den Self Publishern, natürlich pro Amazon, weil sie uns Autoren gut behandeln, viel besser als die Verlage. Eine ganz dicke Lanze bricht Nika Lubitsch mit ihrem Blogbeitrag Ich bin ein Underdog der Literaturszene - ich liebe Amazon! Und meine ganz persönliche Meinung? Amazon hat mir das Vertrauen und das Selbstbewusstsein zurückgebracht, das während einer längeren Verlagskarriere doch immer mehr auf der Strecke zu bleiben drohte.

Amazon macht die kleinen Buchhandlungen kaputt, hieß es vor Jahren. Also wurde allenthalben zum Boykott aufgerufen. Dann hat es die Ketten kaputtgemacht, avancierte also plötzlich zum Robin Hood der Buchbranche. Und schließlich bot es den Autoren, die aus welchem Grund auch immer nicht mit einem Verlag verbandelt waren, die Möglichkeit, aus der Finsternis herauszutreten und im Bücherhimmel mitzumischen. Die Notwendigkeit, einen Boykottaufruf zu unterschreiben, sehe ich nicht. Als Autorin nicht und auch als seltene Kundin nicht. Ich habe meine Bücher schon immer in Buchhandlungen, großen und kleinen, gekauft, darüber hinaus in Antiquariaten, auf Flohmärkten und aus den Bücherbäumen mancher Städte herausgezogen. Ich bin ein Mensch, der gern in Bewegung ist, der lieber aus dem Haus geht, um einzukaufen und nicht statisch auf einen Bildschirm starren will, durch Klicks eine Bestellung aufgibt und dann wartet, bis das Objekt sich durch Türklingeln ankündigt. Amazons Angebot, zwei meiner Bücher wieder neu aufzulegen, habe ich gern angenommen, und auch so verdienen sie genug an mir, denke ich. Soll ich wegen der Geschäftspraktiken jetzt das Self Publishing boykottieren? Oder große Buchhandlungen meiden wie der Teufel das Weihwasser, weil die Verlage einen Haufen Kohle für Sondertische, Plätze im Regal und das "Buch des Monats" zahlen müssen? Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, das mein Verlag 50 000 Euro für mich bei Karstadt ausgegeben haben soll.

Nun noch mal zum eigentlichen Thema, zum Ausspähen. Früher sind wir vom Verfassungschutz ausgespäht worden, wenn wir aktiv gegen Pershing-Raketen, gegen Atomkraftwerke und gegen Rechte vorgegangen sind, die den Hitlergeburtstag feiern wollten. Da hat man sich jedes Wort überlegt, das man am Telefon gesagt hat. Heute, in Zeiten der Kanzlerausspähung, muss man überlegen, was man im Internet von sich preisgibt, nicht nur, weil ein Patzer auf einen selbst zurückfallen kann, sondern auch, weil einem unter Umständen ein Strick daraus gedreht werden könnte. Mal unabhängig von merkwürdigen Reklameangeboten, die man dauernd per Mail oder per Telefon erhält. Für mich habe ich schon lange die Lösung gefunden. Ich bin ein zurückhaltender Mensch, schon immer gewesen, und lehne mich kaum noch weit aus dem Fenster oder nur dann, wenn es wirklich notwendig ist. Die Daten, die über mich kursieren, darf ruhig die ganze Welt wissen, wenn sie sich eben für diese Millionen Daten anderer interessieren würde.

Sehr interessanter Artikel zum Amazon-Streit von Holger Ehling in seinem Blog: Amazon als Angstbeißer, mit dazugehöriger Diskussion!

Sonntag, 3. August 2014

Vom Scheitern und vom Neuanfang

Vor einem halben Jahr dachte ich noch, das war`s dann mit dem Schreiben. Kein Verlag mehr, keine Agentur und ein paar Manuskripte auf der Festplatte, mit denen man weder bei großen Verlagen noch bei Agenturen auf offene Türen stoßen würde. Und vor allem: keine Lust mehr, sich noch einmal auf die große Suche zu machen und alle Prozeduren wieder und wieder über sich ergehen zu lassen. Die Bücher in den Buchhandlungen zu begrüßen und sie (so war`s am Schluss) im Monat darauf gar nicht mehr zu finden, bei Amazon unter ferner liefen. Auf Abrechnungen zu warten, die immer viel zu spät kamen mit dem stummen Vorwurf: Hat sich nicht nach unseren Erwartungen verkauft.

Im Februar saß ich da mit einem Manuskript, einem Krimi aus dem 18. Jahrhundert, mit dem es weder vor noch zurück ging. Kein Esel hätte den Karren da herausholen können, worin er steckte. Schreibblockade total. Auch eine Neukonzipierung brachte nichts. Einfach keine Lust mehr. Vielleicht war ich auch nur erschöpft? Im März begann ich damit, meine E-Bookrechte am historischen Krimi "Das Vermächtnis des Bischofs" zu klären. Mit der vereinten Hilfe von zwei Autorenfreunden gelang es mir dann, im Juni das E-Book herauszubringen. Das Ergebnis sieht man hier rechts im Layout. Seitdem ist es eine Bereicherung meines Lebens, wenn ich das mal so pathetisch sagen darf. Ein Buch, das mehr meins ist als fast alle anderen, das ursprünglich niemand haben wollte und das jetzt so erfreulich sichtbar heruntergeladen wird, ein Buch, das bleibt über die Wochen und Monate, ein Buch, für das ich kaum Werbemaßnahmen anstoßen musste.

Ein Urlaub und eine Verlagsanfrage nach dem Jetztzeit-Krimi "Martinsmorde" später war es dann endlich so weit. Mir war klar, dass der Roman, den ich hatte schreiben wollen, schon fast 200 Jahre zuvor geschrieben worden war: von Hermann Kurz mit seinem "Schillers Heimatjahre. Die Wanderungen des Heinrich Roller." Da traten alle Figuren auf, die auch bei mir eine Rolle hätten spielen können: Friedrich Daniel Christoph Schubart, Herzog Carl Eugen, der Räuber Hannikel und Friedrich Schiller. Aber es gab ja auch eine Krimihandlung, die unentwirrbar schien. Ich habe mir einfach einen Ruck gegeben und zwei Handlungsstränge sowie eine weitere Figur aus dem historischen Krimi vom Februar rausgeschmissen, die Handlung an einem späteren, spannenderen Zeitpunkt eingesetzt, die ersten 35 Seiten abgetrennt, überarbeitet und die restlichen 40 Seiten als Recyclingstation gespeichert. Jetzt zählt allein wieder der Text und nicht die Verlage, die späteren Leser oder die Kritiken oder die Frage, warum man das Ganze überhaupt noch macht -warum man das alles mit sich machen lässt. Und es bleibt der Schauplatz Schwarzwald, diesmal mit dem Tübinger Schloss im Zentrum.