Sonntag, 21. April 2013

Weil deine Leser dich nicht sehen

In Abwandlung eines Krimititels von Mary Higgins Clark (aus der Bücherei) möchte ich einmal versuchen, die Freuden und Ärgernisse beim Bekanntmachen seiner Person als Autor und als Mensch zu schildern. Gestern, an einem mal wieder trüben, kalten und regnerischen Wintertag wollten wir nach Reutlingen fahren, um dort in der Stadt, ihren Geschäften und Buchhandlungen herumzustöbern. Dieser Ort empfing uns jedoch mit derartigen Nebelschwaden und Regenschauern, dass wir gleich nach Stuttgart weitergefahren sind. Dort regnete es nicht. Ungeheure Massen wälzten sich über die Königstraße, über den Kleinen Schlossplatz und durch die unzähligen Passagen. (Das Bild oben ist übrigens vom Dezember, da war es weitaus sommerlicher als jetzt!) Im neuen Einkaufszentrum "Saturn" glaubte ich mich in einen Sience Fiction versetzt zu sehen. In einem Markt für alle möglichen Medien gab es etwa zwanzig gleichartige, gelbblaue Kassen, an denen die Menschen Schlange standen. Und jeder Einzelne wird durch Videokameras überwacht, damit er nicht etwa Waren an der Kassiererin vorbeischmuggeln kann. Wahrscheinlich hatte auch ein jeder sein Smartphone vor sich, um bei Facebook zu melden, dass er sich jetzt in einer Schlange des Super-Super-Markts im Saturn in Stuttgart befinde. Und dass er die neueste Version des Smartphones gekauft habe, um sich noch besser bei Facebook und Co. einklinken zu können. Und so ging es weiter. Hugendubel, früher ein einfacher Großmarkt für Bücher, scheint sein Konzept umgestellt zu haben. Riesige Hallen, über drei Etagen, eine ganze Wand nur mit Krimis, speziell Regionalkrimis, dazu Wohlfühlecken, lauschige Cafeteria, spezielle Regale mit Lyrik und Nischenliteratur, Sprüche von Hermann Hesse an der Wand, viel weniger Kruscht, den man verstärkt in anderen Buchhandlungen zu sehen bekommt. Das alles kann man bequem mit Rolltreppen durchschweben. Ich muss zugeben, das hat etwas Verführerisches! Und auch hier war es ebenso voll wie in den großen Modegalerien. Dagegen gibt sich der Witwer, früher als größte Buchandlung Stuttgarts bekann, fast altmodisch. Als Autorin stellt man sich natürlich die Frage: Wie soll man als in solchen Kultpalästen überhaupt wahrgenommen werden, dazu mit einem völlig neuen Genre? Wie soll man in den großen virtuellen Palästen der Social Media wahrgenommen werden, in denen der Einzelne ebenso mit Produkten, Informationen, Bildern und Büchern überschwemmt wird? Soll man darauf reagieren, indem man selber diese Medien mit seinen Infos, Büchern, Bildern und sonstigen ideellen und materiellen Produkten überschwemmt? Wie viel Likes und Kommentare muss ich absetzen, um selber welche zu bekommen? Nein, nein, so hart geht es doch in der virtuellen Wirklichkeit nicht zu. Man ist bei einigen Händen voller Leute bekannt, die interessiert deinen Weg verfolgen, deren Wege du ebenfalls interessiert verfolgst. Wer dich kennt und dein Buch noch nicht gelesen hat, wird es kaufen oder er kauft die Printversion, weil er keinen Reader haben möchte. Ich selbst kaufe ebenfalls Bücher von Leuten, die ich schon länger kenne. In der Buchhandlung probiere ich natürlich auch ständig Neues aus. So ließen wir das alles auf uns wirken und machten uns dazu unsere Gedanken.

Als der Großstadttag sich seinem Ende näherte, landeten wir noch gezielt im lange heiß umstrittenen und immer noch umstrittenen Bahnhof. Lange waren wir nicht dort gewesen, nur einmal im letzten Jahr hatte ich meine Fahrt nach Frankfurt hier kurz unterbrochen. Dort hatte sich innen nichts verändert. Ja, der Bahnhof ist zu klein, daran beißt die Maus keinen Faden ab. Aber warum unter die Erde? Draußen war nichts, aber auch nichts wiederzuerkennen. Der Park plattgewalzt, sogar den vielgeliebten Eberhard im Barte haben sie an eine andere Stelle versetzt, der Bauzaun ist mit offiziellen Maulwurfskarikaturen und Entwürfen einer schöneren, gigantischeren Stadt gepflastert, und zwar so dicht, dass niemand sehen kann, was sich dahinter verbirgt. Was meinen Sie, was erst los ist, wenn das Loch kommt!, sagte eine ältere Frau zu uns. Mit dem Loch ist die Grube für den unterirdischen Bahnhof gemeint. Statt 55 Minuten wird der ICE dann nur noch 28 Minuten von Stuttgart nach Ulm brauchen. Aber nicht wegen des Tiefbahnhofs, sondern wegen einer neuen Trasse. Hat mal irgendwer irgendwas von Entschleunigung gesagt?

Was ich damit sagen will: Die sozialen Medien haben sich für mich entzaubert, weil sie keine Gegenwelt, sondern ein Abbild der realen sind, in der es auch nicht viel anders zugeht. Nämlich gigantomanisch. Mit Betonung auf manisch. Meine Aufgabe wird es sein, nicht einfach zu entschleunigen, denn das trifft es nicht auf den Punkt, sondern dieser Gigantomanie für mich selbst Einhalt zu gebieten. Es müssen nicht Tausende von Büchern sein, die Tausende von Lesern erreichen, weder im Buchhandel noch im Netz. Ich muss nicht tausende von Freunden haben, die mir nichts zu sagen haben, als was ihre eigene Welt ihnen gebietet. Es gibt eine Reihe von bisher unbekannten Leuten, die gern meinen Krimi lesen würden. Soll ich jetzt deren Interesse enttäuschen und ihn gar nicht herausbringen? Und es gibt eine Reihe von Leuten, die an mir und meinen Büchern interessiert sind und an deren Werdegang ich interessiert bin. Es gibt Leser, die meinen historischen Roman vorgemerkt haben. Auf dieser Basis kann ich weitermachen, sowohl in meinem Blog, bei FB und mit den Verlagen. Wie hieß noch dieses Sprichwort? Man sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht? Bei weniger Masse und weniger Gigantomanie sieht man die Bäume sehr wohl.

Hier noch zwei Beiträge, die ganz eng mit diesem zusammenhängen:
Der Verlust der Unschuld oder wann platzt die Blase von Petra van Cronenburg
Gigantomanisch oder haben sich die Social Media entzaubert 
von Alice Gabathuler
Ballast abwerfen! 1. Der Veröffentlichungszwang 
Wer verdient an meinen Büchern?