Montag, 28. März 2011

Betonköpfe

Es gab einmal eine Zeit, da habe ich nicht nur versucht, Menschen mit psychischen Problemen das Leben etwas leichter zu machen, sondern ich habe auch aktiv in das Geschehen um mich herum eingegriffen. Es waren, grob geschätzt, 15 Jahre meines Lebens. Mindestens zweimal wöchentlich erschien ein Artikel von mir in der Zeitung, Demonstrationen, manchmal mit Hunderttausenden, waren an der Tagesordnung. In Mutlangen saß ich vor einem Lastwagen, der bis auf einen halben Meter an mich heranfuhr. Mutprobe? Es war eine Zeit, als sich auch sogenannte "Promis" wie Heinrich Böll und Walter Jens auf die Seite der Friedens- und Umweltbewegung stellten. Dem Volk von Baden-Würtemberg gab ich immer wieder die Chance, umzukehren, derweil wir von Polizisten rumgeschubst und weggetragen wurden, auch in Neckarwestheim. Irgendwann war das Maß voll, und ich sagte mir, wenn sie immer weiter ihre Lieblingsvolkspartei wählen, dann habe ich keine Lust mehr, mir auch nur irgendetwas für sie aufzureißen. Schön blöd, werden sie gedacht haben, hähä, wir waschen unsre Autos, streng du dich nur an für die anderen. Hauptsache, mein Bauch ist fett.

Seitdem ist einige Zeit ins Land gegangen. Ich habe viele Betonköpfe erlebt in Form von Vermietern, Politikern, Amtspersonen und Unternehmern. Betonköpfe haben die Eigenschaft, alles zuzubetonieren, so lange, bis sie havarierte Atomkraftwerke mit Beton und Sand bedecken müssen. Wo gestern Landschaft war, ist heute garantiert eine Schnellstraße, wo ein Bahnhof sichtbar seine Dienste tut, muss er schnell unter die Erde. Gegen den Willen der Betroffenenen. Wo ein Garten mit Birnbäumen steht, muss Beton hin, eine Bank dazu und eine mickrige Kastanie, die schon am nächsten Tag die Blätter braun verfärbt.
Die Bäume waren zu alt.
Wo ein Gartenteich mit Kindern errichtet wurde, muss er weg.
Das Loch machen wir zu.
Dann die Katastrophe. Schnell das Gesicht verändern, wir sind doch gar keine Betonköpfe, seht einmal, wir sind betroffen, wir werden es richten. Und noch ein Erdrutsch: die Wahl gestern in Baden-Württemberg. Herr Mappus konnte es nicht fassen. Ist das der Dank für alles, was wir für das Ländle getan haben? Ein schlechter Tag für Baden-Württemberg. Mag sein, dass in Zukunft die Autoindustrie weniger boomt, dass Fehler gemacht werden, die Landschaft noch mehr verspargelt wird und Pumpwerke gebaut werden müssen. Aber es ist einmal passiert, und dafür bin ich unendlich dankbar: Sie haben endlich gemerkt, dass ein Volk einen Moment in der Geschichte sich nicht mehr zubetonieren lassen möchte. Dass die Arroganz, mit der über die Menschen und ihre Anliegen hinweggegangen wird, irgendwann abgestraft wird. Aber ob diese Erkenntnis in einen Betonkopf reingehen wird?