Dienstag, 20. April 2010

Wie ich meine Stimme fand

Im Autorenform Montsegur läuft gerade eine spannende Diskussion über
"Show don't tell" zw. darüber, dass das unmäßige Auswalzen von Szenen, nur um das "tell" zu vermeiden, nerven kann. Ich selbst habe früher bei "Ficton Writing", das leider in dieser Form nicht mehr existiert, von den Auseinandersetzungen mit diesem Thema sehr profitiert- und das mitnehmen können, was zur Entwicklung meiner "eigenen Stimme"geführt hat. Sobald jedoch etwas zum Dogma erklärt und alles daran gemessen wird, führ das nicht nur zur Verwirrung, sondern auch zur Unterdrückung dieser Stimme bei anderen Autoren. Ich erinnere mich an das fünfte Kapitel meines zweiten Romans. Da sagten die Testleser, es sei zu sehr getellt. Es rein szenisch darzustellen war aber unmöglich und unsinnig. Denn es vergingen längere Zeitspannen, die man nicht mit Szenen ausfülle konnte, ohne alles übertrieben in die Länge zu ziehen. Wenn ich es mir recht überlege, ist mein Schubladenbuch daran gescheitert, dass ich einen inneren Widerstand dagegen spürte, längere Zeiträume zu beschreiben, ohne zu "tellen". Das wurde von der Lektorin als mangelnder Ausbau der Szenen empfunden. So können gut gemeinte Ratschläge eben auch schaden. Als einzig gute Ratschläge habe ich von da an nur noch akzeptiert: Ein Roman kann aus Szenen, narrativen Passagen und Dialogen bestehen. Erkläre Gefühle nicht, sondern zeige sie. Das ist wie im wirklichen Leben: Wenn mir einer sagt "ich liebe dich", dann ist das eine Erklärung, die ich nur glauben kann, wenn ich sie auch spüre. Dann lernte ich, den Motivationen der Figuren nachzuspüren, dem Kern der Geschichte, dem roten Faden und der inneren Authentizität.
Das ist für mich dann gleichbdeutend mit der Prämisse. Lehrmeinungen anderer können nur ausprobiert und selbst erfahren, verworfen oder als gut angenommen werden. Ich habe durch all den Wirrwarr hindurch meine Stimme gefunden. Und siehe, es ist dieselbe, die ich mit 17, 18 hatte, nur ist sie gereift und um einiges Handwerkliche erweitert.
Ähnlich erging es mir übrigens mit den Adjektiven. In einer zu großen Häufung bremsen sie den Text aus, gekonnt eingesetzt machen sie ihn dynamischer. Als mir aber jemand schrieb, in meiner Geschichte "Cola und Jaspe"(über die Tepuis in Venezuela) störten die vielen Adjektive, merkte ich auf: es waren ja gar keine Adjektive, sondern Adverben. Das ist mir alles in Fleisch und Blut übergegangen, von show und tell ist nicht mehr die Rede, auch bei meinem Testleser nicht und schon gar nicht bei meinem Lektor. Ich wünsche mir nun, dass solche Erfahrungen akzeptiert werden und nicht die Schreibratgeber in Bausch und Bogen verurteilt werden. Ich bleibe dabei: Bei manch einem Buch, einem Roman habe ich gedacht: Dir hätte ein wenig Schreibratgeber sicher nicht geschadet, lieber Autor!
Welche Schreibratgeber das bei mir waren? James F. Frey "Wie man einen vedammt guten Roman schreibt" und Stephen King "Leben und Scheiben"-beide haben mich inspiriert, überhaupt einen Roman zu schreiben und nach Rohdiamanten zu suchen. Empfehlen würde ich heute keinen mehr.
Dann noch jeweils einen Ratgeber meines zweiten Lektors "Feststeller schreiben Bestseller"von Dr. Jörg Ulrich und "Von der Romanidee zum Bestseller" meines Agenten Dirk R. Meynecke. Sie waren sehr nützlich bei der Einschätzung des Marktes.