Montag, 9. Februar 2009

Von der Würm zur Pestarztmaske

Am Freitag fand in unserer Stadtbücherei ein Flohmarkt statt, auf dem wir für wenig Geld hochwertige Bücher erstehen konnten. Darunter war auch ein Bildband über die Kreise Calw und Enztal. Nachdem der Samstag alle Aktivitäten hatte ins Wasser fallen lassen, machten wir uns gestern auf, um mal wieder was zu "erleben". Es war so kalt und grau, dass die Wanderlust in den Stiefeln steckenblieb. Aber es gibt ja auch noch andere Dinge. Von Bad Liebenzell ging es hinauf ins Obere und Untere Heckengäu, von Monakam hinüber nach Neuhausen im Würmtal. Vorher schlossen wir Wetten ab, welche Kirchen wohl geschlossen sein würden. Es ist nämlich so, dass in unseren evangelischen Gegenden entweder größere Schätze zu verwahren sind oder der Vandalismus größer sein muss. Auch der Deutschlandwanderer, der ein Buch über seine Wege schrieb, berichtet, dass erst im Bayerischen, in den katholischen Gegenden, die Kirchen offen waren.

Die Würm, die durch ein schönes Tal vom Schönbuch nach Pforzheim fließt, wo sie zusammen mit der Nagold in die Enz mündet und die wiederum in den Neckar, hat allerdings nichts mit der Würmeiszeit zu tun, wie ich jetzt erfuhr. Diese Eiszeit ist nach einem Fluss in Bayern benannt. Ein Radweg führt von der Schmuckstadt Pforzheim (das leider im Krieg fast vollständig zerstört und nicht mehr aufgebaut wurde, wie sie es jetzt in Frankfurt nachträglich vorhaben) über Weil der Stadt bis in die Gegend von Herrenberg.

http://www.fahrrad-tour.de/WUERMTAL/Wuerm.html

Bevor man nach Neuhausen kommt, liegt linkerhand das Naturschutzgebiet Büchelberg. Da kann man stundenlang wandern unter uralten Eichen und Föhren, über Heiden und Wacholderwiesen. Ich erinnere mich an blauen Himmel, Wärme, Schafe, Pilze, Hagebutten und Silberdisteln. In Neuhausen steht eine wunderbare kleine Kirche, die erste, deren Seitenpforte nicht verschlossen ist. Uralt und später barockisiert. Diese Kirchen könnten es gut mit denen in Oberschwaben aufnehmen, entnahm ich einem Prospekt. In Mühlhausen entdeckten wir das versteckte Fachwerkschloss eines Ritters der von Gemmingen (die "Schlegler"). Die Kirche in Tiefenbronn mit dem berühmten Moseraltar ist allerdings immer zu. Dafür ist das Schloss der "Schlegler" in Heimsheim aus dem 14. Jahrhundert eine steinerne Wucht. Schließlich noch Mönsheim mit der Diepoltsburg und einer Kelter. Ein Ort ist schöner als der andere, ganz vergessen neben den Industriegebieten und der Autobahn Stuttgart-Karlsruhe. An den Wirtschaften hängen Schweinsblasen draußen und weisen darauf hin, dass man hier gut und günstig essen kann. Schließlich Weil der Stadt, Geburtsort Keplers, das wir in - und auswendig kennen, mit dem Weihnachtsmarkt, dem Faschingstreiben und immer wieder einfach so. Nicht zuletzt tauchte der dicke Österreicher auf dem Brunnen schon in einem Roman von mir auf, ebenso das kleine Kloster hinter der Kirche. Wie wär's jetzt mit einer Latte Macchiato? Ein neuer Italiener preist Latte und Capuccino mit Croissant an. Die Brüder sind gottfroh, dass noch jemand kommt. Sie zeigen uns alte Fotos von Venedig, die neben Masken aller Art an den Wänden hängen. Stolz holt der eine einen Karton mit original venezianischen Masken heraus. Und da ist sie, die Pestarztmaske, die bald wieder von Bedeutung für mich sein wird. Wir dürfen sie anprobieren; die beiden erzählen von der Heimat, die genauso feucht sei, wie es hier überwiegend geworden ist. Dass ich ein Buch über Venedig geschrieben habe, wie mein Freund erzählt, geht ihnen allerdings zu einem Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus. So etwas kommt einfach nicht vor. Und ich finde es in solchen Momenten auch überhaupt nicht mehr wichtig.

Das Exposé als Landkarte

Es kann bei mir nur so funktionieren, das ich mir das Exposé, die Figuren und ihre Geschichte einpräge, um den Faden nicht zu verlieren. Lebendig werden sie immer erst beim Schreiben. Und so komme ich allmählich wieder zu dem Zustand, in dem ich meine Geschichte und meine Mannschaft bei mir habe, den Faden und die Szenen weiterspinnen kann zwischen Aufwachen und Schlafengehen. Dabei schaue ich durchaus nach rechts und nach links, verliere mich nicht mehr so total, das ist nämlich auf die Dauer nicht durchführbar. Und wie wir gleich sehen werden, ist diese Ebene gar nicht abgehoben vom übrigen Leben, denn meine Themen und meine Geschichten begegnen mir auf Schritt undTritt wieder.