Mittwoch, 30. Dezember 2015

Wie war das noch mit den guten Vorsätzen?

Gerade habe ich mir die Zeit genommen, die Blogs meiner freundschaftlich verbundenen NachbarInnen durchzuschauen. Und dabei ist mir eines aufgefallen (vielleicht habe ich dies und das auch einfach nur übersehen): In der ganzen Zeit, die wir hier jetzt schon so unverdrossen bloggen, gab es an jedem Jahresende, manchmal schon Mitte Dezember, einen Jahresrückblick. Auch ich hatte diesmal einen solchen Rückblick schreiben wollen, und zwar nicht so einen "Meinefünfbestenbilder-Rückblick", den Facebook seinen Nutzern offeriert. Jetzt merke ich, dass ich es nicht kann. So wie ich auch bei den Schreckensszenarien der weltweiten terroristischen Bedrohung und den täglichen Berichten über die Flüchtlingskrise oft keine Worte fand. Und doch war das Jahr 2015 auch im privaten Sektor eine Zeit der großen Umbrüche. Es gab Abschiede und deren Folgen, die bis heute nachwirken. Im Juni hatte ich eine Veröffentlichung im Self Publishing und schreibe seitdem als freie Autorin weiter, nachdem ich meinen Beruf mit Ehren an den berühmten Nagel hängen konnte. Es gab Wetterextreme bis in den Dezember hinein und neue Impulse für das Urheberrecht. Im Sommer lernte ich eine seidig glänzende weiße Katze kennen, die unaufgefordert in meine Wohnung spazierte und die ich inzwischen wieder zur "Besucherkatze" erzogen habe, die ich gar nicht mehr missen will. Statt das wachsende Angebot der digitalen Medien für mich auszuweiten, habe ich wieder angefangen, täglich die Zeitung zu lesen. An Weihnachten fing ich an - erstmalig nach mindestens fünfzehn Jahren - Vanillekipferl und Kokosmakronen zu backen, die mir auch gelungen sind. Unter anderem bekam ich ein Kästchen mit "literarischen Momenten" nebst Zettelkasten geschenkt, dazu Kalender und ein mediterran-orientalisches Kochbuch. Wie immer, habe ich mir für das neue Jahr keine guten Vorsätze ausgedacht. Oder doch?

In der heutigen Ausgabe des Blättles wird ein Psychologe namens Walter Mischel von der Columbia Universtity in New York zu eben diesem Thema interviewt. Die Frage ist, warum viele Menschen das, was sie sich vorgenommen haben, nicht auf die Dauer umsetzen können. Er begründet das mit dem "heißen" und dem "kalten" System im Gehirn. Das heiße ist das limbische System, das schon früh in der Evolution entstand. Es ist der primitive Teil mit der mandelförmigen Amygdala, die starke Emotionen, Angst und Freude hervorruft. Das kalte System befindet sich im "präfrontalen Kortex", also direkt hinter der Stirn. Damit können wir analysieren und die Folgen unseres Tuns abschätzen.  Steht man nun unter Stress, fährt dieses limbische, heiße Sytem hoch und schaltet das kalte sozusagen aus. Wenn man es schafft, sich runterzukühlen, kann das kalte System wieder greifen. Selbstkontrolle ist das Wiedereingreifen des kalten Systems. Das macht Mischel an einem ganz einfachen Beispiel deutlich: Wenn man zum Beispiel den Hunger auf Süßes kontrollieren wolle, reiche es nicht, sich zu sagen, das mache dick und man werde keinen Nachtisch im Restaurant bestellen. In dem Moment, wo das Mousse au Chocolat vom Kellner vorbeigetragen werde, sei es um einen geschehen. Nachhaltiger wäre ein konkreter "Wenn-dann-Plan". "Wenn die Frage nach dem Dessert kommt, werde ich Fruchtsalat bestellen. Oder man treibt jeden Tag zu einer bestimmten Zeit Sport, bis es "sitzt" wie das Zähneputzen. Mit solchen Strategien könne man das heiße System kontrollieren, ohne es außer Kraft zu setzen, denn es ist ja ein Kernpunkt unseres Lebens, ohne den Genuss, Freude, Liebe und Schmerz nicht möglich wären. Das Einzige, was ich mir vorgenommen habe, ist der Wunsch, wieder mehr zu kochen. Es war früher eine Leidenschaft und hat sich durch das extensive Schreiben arg reduziert. Andere Vorlieben wie Wandern, Fotografieren, Schwimmen, Lesen sind noch in genügendem Maße da, könnten aber weiter ausgebaut werden.