Sonntag, 7. Oktober 2012

Geheimnisvoller Schwarzwald

Siehe auch Wildbad an der wilden Enz Orte zum Reinschmecken

Da auf der schwäbischen Alb das Wetter zum Wandern zu schlecht war, sind wir gestern mal wieder in den Schwarzwald gefahren. Unser Ziel: Wildbad an der wilden Enz, mit seinem schönen Kurpark und dem Flair des 19.Jahrhunderts. Durch eine Umleitung landeten wir erst mal in Enzklösterle, das zwar kein Kloster mehr hat, aber eine wunderschöne Schwarzwaldlandschaft drum herum und in der Nähe den Ort eines schrecklichen Verbrechens, begangen in den ersten Tagen nach Ende des letzten Weltkrieges. Die Landschaft ist idyllisch und manchmal auch fast unheimlich. Erst einmal verfehlten wir den Hof, an dem das Verbrechen geschah. Wir fuhren zum Tanken in eine Tankstelle, die absolut vorsintflutlich wirkte. Nachdem ich für 30 Euro getankt hatte, ging ich hinein, wo ich auf eine Schar lustig trinkender Männer traf. Es mutete an wie das Wirtshaus im Spessart. Als ich dem etwas pockennarbigen Tankwart die Nummer der Zapfsäule sagte, begab er sich mühsam dorthin, um sich davon zu überzeugen, das das auch stimmte. Es gab nämlich keinen Computer, sondern nur eine alte Ladenkasse, die er dann nicht aufgestemmt bekam.
"Hier wurde eingebrochen!", meinte er und mühte sich weiter. Ich reichte ihm das Geld. Schließlich brachte er die Kasse auf und gab mir das Rückgeld. Das Johlen der Männer klang mir noch nach. Wir fuhren wir in das Tal hinein und bekamen immer größere Augen, so schön und gleichzeitig so rückständig war alles. Die Sonne beglänzte Bach und Weiden, Birken und Buchen, gelbe und rote Blätter, und je weiter wir kamen, desto unwirklicher wurde alles. Ein alter Mann mit rot geränderten Augen wies uns den Weg zum Hof. Der war ein paar Kilometer von dem Ort entfernt, in absoluter Stille und Einsamkeit.
Wir erreichten den Hof. Oben am Hang sind Trockenmauern aufgerichtet, das Haus, der Stall und der Schuppen machten einen verwitterten Eindruck. Ein Gedenkstein weist auf die Untat hin, ein Wanderzeichen zeigt den Weg hinauf zum "Toten Mann". In den Apriltagen 1945 wurden hier insgesamt 10 Menschen ermordet, eine Försterfamilie, Frauen, Kinder und eine Hausangestellte. Ein siebenjähriger Junge überlebte, weil er sich unter dem Bett versteckt hatte. Allem Anschein nach waren es französische Söldner, die sich an den verhassten Boches rächen wollten. Es wurden Ähnlichkeiten mit dem Mord von Hinterkaifek bei Wangen festgestellt, der Andrea Maria Schenkel zu dem Buch "Tannöd" anregte. Vergessen wird diese Tat nie werden, aber es wird nicht mehr darüber gesprochen, und das ist auch gut so.
Lassen wir diese Geschichte so stehen, wie sie ist, und wenden uns wieder dem Jahr 2012 zu. Die Natur bleibt sich immer gleich, sie schaut nur zu und bringt ihre erstaunlichen Gebilde hervor, wie hier im Rombachtal.


Im Tal der Enz fährt man nicht mehr weit bis zum Kurort Bad Wildbad, in dem schon seit 1811 der Arzt und Dichter Justinus Kerner residierte. Hier bekam er auch Besuch des linksradikalen Volksdichters LudwigUhland, der dazu sein Gedicht "Der Überfall im Wildbad" schrieb.
Kurpark von Bad Wildbad

Späte Rosen

Blick aus dem Fenster des König-Karl-Baus

Schaufenster der Konditorei Winkler
Bad Wildbad ist immer einen Besuch wert, nicht nur während der Rossini-Tage. Man kann es bequem mit dem Auto erreichen oder aber mit der S-Bahn, die von Karlsruhe nach Besigheim-Bietigheim fährt. Immer werfe ich einen Blick in die Schaufenster der Konditorei Winkler, und obwohl ich mir im Allgemeinen nichts aus Süßigkeiten mache, kaufen wir jedesmal Geleefrüchte, Nougat oder Schokoladensplitter. Es liegt ein Hauch von Belle Epoque über dem Städtchen; im Park gibt es ein Café mit angeschlossenem Theater, Tanz- und Behandlungsräumen und großer, etwas angestaubt wirkender Terasse. Berühmt ist das Bad mit seinen Kuppeln und Fresken und vielen Entspannungsmöglichkeiten.
Der Schwarzwald und insbesondere das Tal der Enz ist für mich unwiderruflich mit dem "kalten Herz" verbunden, dem Märchen von Wilhelm Hauff, von dem Köhler, der sein Herz an den Teufel verkaufte und auf wundersame Weise gerettet wurde. Ein wenig konnte ich von der Stimmung des früheren Schwarzwaldes auffangen. Und das ist für mich der Beginn einer neuen Geschichte, die ich gern erzählen würde.
Das Badhotel

An der "wilden Enz", die sich später in Pforzheim mit der Nagold vereinigt